(Zuerst erschienen in Naturfreundin 04/21)
Ein Hintergrundgespräch mit Hans Greßirer, Landesfachgruppenleiter für den Arten- und Biotopschutz bei den bayerischen NaturFreunden!
Der Wolf ist nach Bayern zurückgekehrt. Gehören Wölfe zur bayerischen Tierwelt?
Der Wolf ist ein Urbayer, genauso wie die beiden anderen großen Beutegreifer, der Braunbär und der Luchs. Diese Tierarten haben immer zu Bayern gehört und waren lediglich über etwa 200 Jahre aus unseren Wäldern verschwunden. Grund für dieses Verschwinden war eine gnadenlose massive Verfolgung und Ausrottung.
Wo kommen denn derzeit Wölfe in Bayern vor?
Neben einzelnen durchziehenden Wölfen gibt es Wolfsvorkommen im Grenzgebiet Bayerischer Wald/Böhmerwald, auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr der im westlich angrenzenden Veldensteiner Forst. Bei den durchziehenden Wölfen handelt es sich meist um zweijährige Tiere, sei es ein Rüde (Männchen) oder eine Fähe (Weibchen). Diese geschlechtsreifen Jungwölfe verlassen in diesem Alter üblicherweise ihr Rudel, um sich einen neuen Lebensraum zu suchen und eine Familie zu gründen. Dabei legen sie täglich 70 – 100 km zurück. Ob sie bleiben oder weiter ziehen ist zum Zeitpunkt der Sichtung noch unklar.
Wo kommen denn die Wölfe her? Wurden diese ausgesetzt?
Die Behauptung, Wölfe wären in Deutschland ausgesetzt worden, man spricht von den sogenannten „Kofferraumwölfen“, ist unwahr! Richtig ist: In ganz Europa beginnen Wölfe sich auszubreiten, weil sie mittlerweile streng geschützt sind. Die Wölfe suchen sich die für sie geeigneten Lebensräume von allein und stammen aus den europäischen Regionen, in denen sie nie ausgerottet wurden. Die bayerischen Wölfe stammen aus Nordostdeutschland, Westpolen oder aus dem Alpenraum. Die Wolfsnachweise in Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz nehmen zu.
Du hast das Wolfsrudel erwähnt. Wie kann man sich die Lebensweise von Wölfen vorstellen?
Man kann ein Wolfsrudel auch als Familie bezeichnen, bestehend aus den beiden Elterntieren und dem Nachwuchs mehrerer Jahre. So ein Rudel beansprucht in Mitteleuropa ein Revier von 200 bis 300 qkm. Es wird gegenüber Artgenossen verteidigt. Es gibt also innerhalb eines Reviers keine zwei Rudel!
Wie ernähren sich Wölfe?
Hans Greßirer: Ist die Gegend wildreich besteht die Nahrung etwa 95% aus Wildtieren wie Reh, Hirsch oder Wildschwein, ergänzt durch kleinere Säuger, Vögel, Fische oder Früchte wie etwa Beeren. Aufregung verursachen meist die Risse von Haustieren, die aber nur 0,5% der Nahrung ausmachen. In wildarmen Gebieten und Gebieten mit freier Beweidung kann dieser Anteil aber höher sein ...
… und dann gibt es Konflikte mit den Haltern dieser Nutztiere!
Deshalb muss das Weidevieh so geschützt werden, dass es für den Wolf sehr mühsam wird, sich die Nahrung beim Weidevieh zu suchen. Gefährdet sind neben Schafen und Ziegen z. B. auch Kälber oder Jungrinder.
Wie könnte ein wirksamer Herdenschutz aussehen und wer soll das bezahlen?
Wolfssichere Zäune oder Herdenschutzhunde sind geeignete Vorsorgemaßnahmen. Aber diese Vorsorge kostet Geld und deshalb ist eine hundertprozentige Übernahme der Kosten für Herdenschutzhunde (Anschaffungskosten ca. 3.000€/Hund) und der Betreungskosten (ca. 1000€/Hund und Jahr) sowie eine Anpassung der derzeit für die Haltung von Herdenschutzhunden hinderlichen Bestimmungen zu fordern. Zu 100% sollten auch die Kosten für die wolfssicheren Schutzzäune (Errichtung, Erhaltung und Arbeitskosten) bezuschusst werden. Insbesondere im bayerischen Alpenraum ist auch der Aufbau und die Finanzierung einer gelenkten und beaufsichtigten Behirtung notwendig! Auch eine gute betriebsbezogene Beratung und Schulung durch die Landwirtschaftsverwaltung ist unabdingbar.
Was, wenn Rissschäden auftreten?
Hier müssen bei minimalem bürokratischem Aufwand für die Weideviehhalter angemessene Ausgleichszahlungen erfolgen.
Immer wieder hört man, dass Wölfe dem Menschen gefährlich werden können!
Wölfe sind sehr vorsichtige Tiere und gehen dem Menschen möglichst aus dem Weg. Menschen, auch Kinder, gehören nicht zum Beutespektrum des Wolfes. Ein statistisch verschwindend geringes Restrisko bei einer Wolfsbegegnung bleibt logischer Weise. Bei sogenannten Problemwölfen, die z. B. durch Anfütterung oder unsachgemäßes Abfallmanagement an den Menschen gewöhnt wurden, wird bei Vorliegen der Voraussetzungen, z. B. bei geeigneten Herdenschutzmaßnahmen, eine umgehende Entnahme dieses Tieres seitens der zuständigen Behörden veranlasst.
Vergleicht man die Gefahr für den Menschen, so ist die vom Wolf ausgehende Gefahr eher hypothetisch, die von Wildschweinen ausgehende Gefahr jedoch real, denn es kommt jährlich zu mehreren ernsthaften Verletzungen durch Wildschweine, können doch Eber in der Paarungszeit und Säue, die Jungtiere führen, gelegentlich gegenüber Menschen aggressiv werden.
Aber in Griechenland gab es doch 2017 die Tötung einer Frau durch einen Wolfsangriff!
Aber nur den ersten, aufgeregten Pressemeldungen nach, denn die griechischen Experten gehen davon aus, dass es sich um verwilderte Hunde handelte, die dafür verantwortlich waren. Der Hinweis, sei erlaubt, dass es allein in Deutschland ca. 4.000 gemeldete Angriffe von Hunden auf fremde Menschen, durchschnittlich vier Tote pro Jahr durch Hundebisse und ca. 35.000 Bissverletzungen durch Hunde auf ihnen bekannte Menschen gibt. Also keine Panikmache gegenüber dem Wolf!
Interessant. Was ist denn der Nutzen des Wolfs?
Wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen Wald und Wild. Wölfe können dafür sorgen, dass sich überhöhte Schalenwildbestände, also bei Hirsch, Reh und Wildschweinen, wieder auf eine naturgemäße Größe einpendeln und eine natürliche Waldverjüngung möglich wird. Angesichts der Klimakatastrophe gehört die Zukunft im Wald den verbissempfindlichen Baumarten wie Tanne oder den Laubbäumen. Es bleibt also zu hoffen, dass uns der Wolf beim Waldumbau helfen kann, auch wenn dazu die Studienlage für die bayrische Waldsituation noch dünn ist!
Welchen Rat hast du zum Verhalten in Wolfsgebieten bzw. bei einer Wolfsgegegnung?
Sich freuen, dass man die seltene Gelegenheit hat, einen Wolf zu sehen und Ruhe bewahren! Wölfe sind scheue und vorsichtige Wildtiere. In Wolfsgebieten bitte immer auf dem Weg bleiben und nicht quer durch den Wald joggen, wandern oder radeln, um nicht unversehens auf im Dickicht liegende Wölfe zu treffen. Wölfe sind nachtaktive Tiere, das sollte man ebenfalls berücksichtigen! Ist man mit dem Hund unterwegs, so ist es ratsam, diesen anzuleinen, dann sieht der Wolf im Hund keinen Rivalen. Da im Wald Hunde grundsätzlich an der Leine geführt werden sollen, dürfte es aber ohnehin keine unliebsamen Überraschungen geben!
Hast du sonst noch einen Hinweis parat?
Wölfe sind ein faszinierendes Thema, deshalb noch einige Literaturtipps[1]:
Landesamt für Umwelt: Bayerischer Aktionsplan Wolf (2019)
online kostenlos abrufbar unter
https://www.lfu.bayern.de/publikationen/get_pdf.htm?art_nr=lfu_nat_00360
Bundesamt für Naturschutz: Konzept zum Umgang mit Wölfen, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten
online kostenlos abrufbar unter
https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript502.pdf
BUND Naturschutz in Bayern e. V. (Hg.): Der Wolf in Bayern (2019)
BUND Naturschutz in Bayern e. V. (Hg.): Wolfsbegenungungen
Vielen Dank für das Gespräch
[1]Quellennachweis: Der hier genannten Literatur verdankt auch dieser Beitrag wichtige Hinweise und Informationen!